Viele Dinge im Leben sehen wir als Selbstverständlich. Vor allem das, was uns im Alltag begleitet. Dabei sollten wir das gar nicht als so selbstverständlich empfinden. Worüber rede ich? Wisst ihr es schon? Wenn nicht, kommt jetzt die Auflösung: ich rede über das Essen. Weltweit hungern Familien, Eltern und ihre Kinder, weil sie nicht genug Essen haben oder zu arm sind, sich welches leisten zu können. Aber darüber reden wir nicht in diesem Blogpost. In diesem Blogpost geht es um essen können, oder nicht essen können. Kennt ihr die Erkrankung Zöliakie? Das Ganze ist mittlerweile sogar zum Trend geworden: „Glutenfrei Essen“. Aber auch darauf möchte ich nicht hinaus. Es gibt nämlich Menschen, die wirklich an der Autoimmunerkrankung Zöliakie leiden und das ist kein Trend für sie. Nur sehr viele in unserer Gesellschaft nehmen diese Menschen nicht ernst. Eine Person, an der Zöliakie diagnostiziert wurde ist Lara. Sie erklärt uns, wie es dazu kam, wie sich ihr Alltag dadurch verändert hat und… ach, lest einfach selbst!
Glutenfrei zu Leben ist gar nicht so einfach. Wie kam es dazu, dass du plötzlich von heute auf Morgen so Leben musst?
Na ja, angefangen hat alles in meiner Jugend. Ich hatte zwei Jahre lang extreme Bauchschmerzen und bin stundenlang nach dem Essen auf der Toilette gesessen. Ich war für mein Alter viel zu klein und hatte sehr oft Wachstumsschmerzen. Mein Kinderarzt hat alles auf meine bevorstehende Periode geschoben und mich immer wieder nach Hause geschickt. Irgendwann fragte meine Mutter den Arzt, dass er mir doch Blut abnehmen soll, damit man die Antikörperwerte vergleicht. Sie ist auf die Idee gekommen, weil mein Nachbar selbst Zöliakie hat, und uns davon erzählte. Als die Blutwerte ankamen, hat man gesehen, dass meine Antikörperwerte viel zu hoch waren. Das hat aber noch nicht so viel auszusagen. Ich musste noch eine Dünndarmbiopsie machen (bei der man in Narkose eine Kamera durch den Rachenraum in den Dünndarm geschoben bekommt). Dabei wurden mir Gewebeproben entnommen, die mikroskopisch analysiert wurden. Es kam raus, dass ich Zöliakie habe.
Was passiert mit deinem Körper, wenn du Gluten zu dir nimmst?
Der Dünndarm besteht aus Darmzotten. Diese sind dafür da, die Nährstoffe zu filtern und zu schauen, was Bakterien und was gute Nährstoffe sind. Bei Menschen mit Zöliakie ist es so, dass Gluten, der zum Beispiel in Gerste, Roggen und Weizen enthalten ist, als „Böse“ angesehen wird. Zur Vernichtung des Glutens werden Antikörper gebildet, die leider auch meine Darmzotten angreifen und zerstören. Also in kurz gesagt: Ich entwickle Antikörper gegen meinen eigenen Körper.
Wenn ich etwas glutenhaltiges esse, bekomme ich ziemliche Bauchkrämpfe. Ich nehme jetzt seit fünf Jahren bewusst kein Gluten mehr zu mir. Einen Diätfehler habe ich bisher noch nicht gemerkt, also kann ich nicht wirklich sagen, welche weiteren Probleme ich bekommen würde, wenn ich Gluten zu mir nehmen würde.
Manche bekommen davon Durchfall, Magenkrämpfe oder müssen sich übergeben, weil der Kreislauf zusammenklappt. Das ist von Körper zu Körper individuell und anders. Wenn ich Gluten weiterhin zu mir nehmen würde, würde sich auf längere Zeit gesehen, mein Magen entzünden und wenn es schlecht läuft kann es soweit kommen, dass ich Magenkrebs bekomme. Allerdings passiert sowas nicht, da sich die meisten die an Zöliakie erkrankt sind, an die „Regeln“ halten.
Man muss auf jeden Fall bedenken, dass jeder kleinste Partikel Gluten, der durch die Nahrung in unseren Körper gelangt, erkannt wird. Dagegen werden sofort Antikörper gebildet, die uns selbst angreifen. Aus diesem Grund kann man auch beispielsweise kein glutenfreies Brot aus einem normalen Backofen essen, in dem auch glutenhaltiges Brot gebacken wird.
Was hat sich seither in deinem Alltag verändert? Worauf konkret musst du achten?
Das Allererste was ich gemacht habe, als ich die Diagnose, Zöliakie, bekommen habe war meine ganze Küche aus- und umsortieren. Ich habe alle Backgeräte, Holzplättchen, Töpfe und Pfannen und weitere sämtliche Geräte, in denen sich der Gluten in den Riefen der Beschichtung ablagern kann, entfernt. Teller, Besteck und Gläser sind da kein Problem, da diese keine Riefen besessen haben, in denen sich Gluten hätte absetzen können. Als nächstes habe ich aufgehört in Restaurants, bei Bäckern oder in Kaffees was zu Essen. Am Anfang dachte ich „Oha, ich kann gar nichts mehr essen“. Aber mittlerweile ist es für mich normal und ich sehe keine Einschränkungen mehr darin. Es ist für mich normal zu sagen: „Nein danke, ich habe keinen Hunger“, oder, „Nein danke, ich kann das leider nicht essen.“ Ich habe angefangen auf jede Kleinigkeit zu achten, da man alles glutenhaltige weglassen muss. Auf Salaten dürfen zum Beispiel auch keine Croutons mehr sein.
Ist es für dich schwierig auf all die Dinge zu achten?
Ehrlich gesagt überhaupt nicht. Ich selbst habe es gar nicht schwer darauf zu achten. Aber meine Familienmitglieder haben noch manchmal Probleme damit. Auch die müssen darauf achten, dass sie sich beispielsweise beim Frühstück oder Vespern zuerst den Aufschnitt auf den Teller holen und danach das Brot, damit hier kein Gluten in beispielsweise die Marmelade, die Wurst oder auf die Butter kommt. Was mir auch oft passiert ist, dass ich vergesse die Inhaltsstoffe von Getränken zu lesen, da es größtenteils im Essen verarbeitet wird, und Gluten in Fruchtgetränken nichts zu suchen hat. Dann denke ich mir, wenn ich aus dem Supermarkt gehe: „Oh man, darf ich das denn überhaupt trinken?“
Eines der größten Probleme ist eigentlich die Unverständlichkeit gegenüber Zöliakie in der Menschheit. Es ist eine Diät, die wir nicht zum Spaß durchhalten, sondern durchhalten müssen. Ich finde, hierbei sollte man schon Respekt zeigen.
Wenn selbst deine Familienmitglieder manchmal noch Schwierigkeiten damit haben. Wie machst du das mit bei Freunden auf einer Party?
Das ist eine reine Gewöhnungssache. Entweder ich nehme mir separat Essen mit oder ich schlemme mir vor der Party den Bauch voll, das entscheide ich, wenn ich weiß, dass der Freund der die Party feiert, nichts Glutenfreies Zuhause hat. Bei der Party ist es etwas komplizierter. Da muss ich dann darauf achten, dass Leute, die glutenhaltige Cracker essen, nicht in die glutenfreien Chips gehen. Oft schnappe ich mir hier eine eigene Schüssel und verteidige meine Chips. Und was die Getränke angeht: Logischerweise habe ich früher nie Bier getrunken, sondern bin immer auf härteren Alkohol ausgewichen. In Bier ist nämlich Gluten enthalten. Mittlerweile gibt es auch glutenfreies Bier, aber das bringe ich mir dann selbst mit. Aber eigentlich ist das nicht so wichtig, da ich selbst sowieso nicht so die Alkohol-Trinkerin bin. Deshalb trinke ich sehr oft einfach nur Wasser, Cola oder andere Limos.
Gibt es irgendwelche Lifehacks?
Wenn ich so nachdenke, was mir schon sehr viel gebracht hat, sind die vorgefertigten Karten von der DZG (https://www.dzg-online.de/glutenfreie-ernaehrung.7.0.html), die es in verschiedenen Sprachen gibt. Auf denen steht drauf, dass man Zöliakie – Patient ist, worauf man, beim Kochen und Backen, achten muss und die Zutaten, die man nicht verwenden darf. Diese Karte kann man im Restaurant vorzeigen und der Koch kann dann entscheiden, ob er etwas glutenfreies Kochen kann, oder ob es ihm zu gefährlich ist, da er keine separaten Töpfe und Pfannen hat.
Ansonsten informiere ich mich vorher immer, ob es dort wo ich hinreise Restaurants gibt, in denen ich Essen kann. Meistens stehen auch in Online-Blogs Restaurants, von denen man noch gar nichts gehört hat oder von denen man gar nicht wusste, dass man dort essen kann. Informier dich vorher, wenn du wohin gehst, ob es Restaurants gibt. Lass dich nicht davon abbringen Essen zu gehen, wenn du Zöliakie hast, denn es gibt genug Alternativen und Restaurants zum Ausweichen. Klar ist es am Anfang kompliziert, aber das ist nur eine Umstellung, an die man sich gewöhnen kann.
Mein letzter Lifehack: Habe immer etwas kleines Süßes in deiner Handtasche, das du zwischen durch mal snaken kannst.
Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Es gab gute, wie auch schlechte Erfahrungen.
Fangen wir mit der schlechten Erfahrung an. Mein Freund und ich waren letztes Jahr an Silvester am Titisee wandern. Auf unserer Wanderroute war eine Berghütte. Wir haben mal reingeschaut und dachten uns, wenn es etwas zum Essen gibt, essen wir dort und wenn nicht, trinken wir auf jeden Fall etwas. Letztendlich haben wir uns dazu entschlossen dort zu Essen. Ich habe mit dem Kellner geredet, ihm gesagt, dass ich Zöliakie habe und das Essen unbedingt glutenfrei sein muss und worauf er alles zu achten habe. Aus diesem Grund habe ich einen grünen Salat mit Essig und Öl bestellt, weil ich mir hierbei sicher sein konnte, dass ich es essen kann. Nach sehr langer Wartezeit, hat mir der Kellner einen Salatteller mit grünem Salat, Karotten- und Krautsalat gebracht. Auf dem Teller lag zudem noch eine Brotscheibe. Ich habe ihn noch einmal darauf hingewiesen, dass ich das leider nicht essen kann, da in Brot Gluten enthalten ist und ich nicht weiß, was in den Rohkostsalaten ist. Der Kellner hat das Brot vom Teller genommen und meinte: „Aber jetzt kannst du es ja essen.“ Also habe ich darauf bestanden, einen neuen Teller zu bekommen, auf dem nur grüner Salat mit Essig-Öl-Dressing sein sollte. Er hat mir ein paar Minuten später, was zum ersten Mal verhältnismäßig schnell war, einen neuen Teller gebracht. Der Teller sah aus wie der Alte, mit Rohkost und grünem Salat, aber ohne Brot. Letztendlich hatte ich Angst davon etwas zu Essen und habe den Teller stehen gelassen.
Mein Fazit hieraus ist, dass es für sehr viele Restaurants einfach eine Herausforderung ist einen grünen Salat mit nur Essig- und Öl zu servieren. Das finde ich ziemlich traurig.
Aber es gibt natürlich auch viele gute Erfahrungen. Eine war der Urlaub in Ägypten, den meine Eltern, mein Freund und ich nach unserem Abitur gemacht haben. Dort waren wir in einem Hotel, in dem der Chefkoch extra für mich jeden Tag ägyptisches Maisbrot gebacken hat, damit ich es essen kann. Auf den ersten Moment war der Geschmack zwar ungewohnt, aber trotzdem total lecker. Außerdem wurde mir das Essen immer separat gebracht, sodass ich sichergehen konnte, dass es glutenfrei ist. An einem Abend ging es mir nicht so gut. Deshalb habe ich in der Küche nachgefragt, ob ich einfach nur gekochte Kartoffeln mit Schale haben könnte. Der Chefkoch hat mich total unverständlich angesehen, hat es mir aber so wie ich es wollte an den Tisch gebracht und mir noch zusätzlich einen Tee gebracht. Ich hätte niemals gedacht, dass Zöliakie-Patienten im Ausland mit so viel Verständnis und Respekt behandelt werden.
Hast du ein absolutes Lieblingsessen?
Ein Lieblingsessen habe ich nicht. Ich esse sehr vieles, sehr gerne.
Was ich aber schon immer mochte, ist die Geburtstagstorte die mir meine Mutter backt. Jedes Jahr, schon seitdem ich ein kleines Kind bin, bekomme ich eine Schokoladen-Biskuite-mit-Creme-und-Marmeladen-Torte. Meine Mutter hat das originale glutenhaltige Rezept von früher so verändert, dass es glutenfrei ist. Sie hat sehr lange ausprobiert und geschaut was alles ersetzt werden muss und durch was man alles ersetzen kann, bis wir den Teig so hatten, wie wir ihn haben wollten.
Ein weiterer Kuchen der bei uns in der Familie über alles geliebt wird ist der Kaffeekuchen. Den gibt es bei uns fast jeden Monat, weil er so lecker ist. Auch hier hat meine Mutter das Rezept so verändert, dass ich mitessen kann.
Was ich auch über alles Liebe ist paniertes Schweineschnitzel mit Spätzlen und brauner Sauce, natürlich in glutenfrei. Das Ganze ist recht einfach. Die Panade vom Schnitzel ist aus Maiskornflakes oder glutenfreier Zwieback, was geschreddert wird. Bei den Spätzlen benutzen wir einfach glutenfreies Mehl und passen das Rezept daran an. Es ist, wie man sieht, kaum eine Veränderung. Man muss einfach nur wissen, wie und was man einkauft.
Was ist dein Statement, dass du weitergeben möchtest?
„Genießt das Essen!“
Ich schätze das Essen so viel mehr wert, als vor der Zöliakie-Diagnose. Diese Freude, die ich empfinde vor dem Essen, die hatte ich so noch nie. Man freut sich viel mehr über das Selbstverständliche Essen, dass jeder heut zu Tage isst. Irgendwann ist es aber für manche von uns, nicht mehr selbstverständlich.
An alle Zöliakie-Patienten: Gebt nicht auf! Es gibt genug Alternativen, mit denen ihr eure Alltagsprodukte ganz leicht ersetzen könnt. Falls ihr konkrete Fragen an Lara habt, schreibt ihr doch einfach auf Instagram. Vielen Dank fürs Lesen! Lasst mir gerne Feedback da! Falls ihr irgendwelche Eigenschaften, Hobbys oder weitere Themen habt, die ihr interessant findet, oder jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, … ihr kennt das Spielchen, meldet euch gerne bei mir! 😊 ~M