(Skye’s Sichtweise)
„Nach all dem was passiert ist, hatten Liam und ich es irgendwie doch geschafft unseren Kontakt aufrecht zu erhalten. Selbst ich war überrascht, doch es machte mich glücklich, denn ich konnte mittlerweile damit umgehen, meine Gefühle für ihn zu verstecken, mir nichts anmerken zu lassen.
Da fast jedes Silvester traditionell bei ihm verbracht wurde, beschlossen wir es dieses Jahr erneut zu tun. Nur dieses Jahr auch mit Sina, und einem Kumpel von Liam. „Den kennst du nicht, ganz sicher!“, hatte Liam gesagt. Doch ich kannte ihn, zwar nicht sehr gut, aber ich kannte ihn, was ziemlich amüsant war.
Sina wollte alles planen und an einem Silvesterabend, an welchem man eigentlich Raclette machen sollte, unbedingt selbstgemachte Pizza machen. Da wir, allerdings, in einem Zeitalter von Demokratie, und keiner Diktatur lebten, stimmten wir demokratisch ab. Da jeder für Raclette war, musste sich Sina damit abfinden. Wir waren zu fünft und machten uns einen gemütlichen Abend. Irgendwann waren wir nur noch zu viert, weil die fünfte Person noch zu einem anderen Silvesterabend musste. Auch zu viert war es schön beisammen zu sitzen und zu quatschen.
Kurz vor Mitternacht gingen wir raus. „10,9,8,7,6,5…“ „…4,3,2,1…“, schrien alle. Und schon war das neue Jahr da.
„Happy New Year“, flüsterte ich mir zu, während Liams Kumpel ein paar Raketen steigen ließ und Sina Liam tiefsinnig küsste. In dem Moment wusste ich, ich komme nicht klar. Aber wieso ausgerechnet jetzt? Für mich sah das Ganze aus, wie ein sehr schlechter Film. Ich sah die beiden zusammen dastehen. Sie freuten sich, erschienen mir glücklich. Liam kam zu mir. Er nahm mich in den Arm, wünschte mir ein frohes neues Jahr und ich versuchte mich zusammen zu reißen, wünschte ihm das gleiche. Sina schenkte mir mal zur Abwechslung keinen Todesblick, sondern sagte: „Auf einen besseren Jahresanfang, als letztes Jahr!“ Ihre Umarmung war nicht warmherzig, sondern kalt und als Liams Kumpel kam, wünschte ich ihm ebenfalls ein frohes neues Jahr. Wir quatschen kurz, was mich ablenkte und mich wieder auf klare Gedanken brachte.
„Hey Skye, kannst du ein Foto von uns schießen, wie wir uns küssen?“, fragte mich Sina und drückte mir ihr Handy in die Hand. Liam verrollte die Augen. Ihm zu liebe, und weil ich nichts Besseres zu tun hatte, schoss ich um die zehn Bilder von beiden, um sie glücklich zu machen. Danach lehnte ich mich an eine Wand, schloss meine Augen und überlegte, welche Personen ich im vergangenen Jahr alles verloren hatte und welche ich dieses Jahr noch bei mir habe. Ich vermisste Federico, als guten Freund. Doch das waren alles nur dämliche Ausreden.
Ein halbes Jahr lang redete ich mit keinem über meine Gefühle. Ich ließ alles zu, baute mir eine Mauer auf. Man könnte schon fast sagen, eine Steinmauer – auch aus Beton – die nicht leicht zu zerbrachen war. Gefühle sammelten sich in mir an, von anderen und auch von mir. Ich hörte jedem zu, doch ich wollte nicht, dass mir jemand zuhört. Denn das bedeutete für mich, ich muss Gefühle zeigen und genau das wollte ich nicht. Ein halbes Jahr lang blieb ich kalt. Und was habe ich davon? Wieso passiert das jetzt ausgerechnet. „Mist“, flüsterte ich vor mich hin. Kurz bevor ich mich zusammenreißen konnte, flossen auch schon die Tränen. Für mich brach eine Welt zusammen. Es waren die ersten paar Minuten im neuen Jahr, und ich brach zusammen. Ich hätte nichts trinken dürfen. Die „Mauer“, welche ich mir mühevoll aufgebaut hatte, zerbrach in tausend Stücke – ich zerbrach, in tausend Stücke- erneut. Wie am Boden geklebt, stand ich da und konnte nichts anderes, als weinen.
Bevor die anderen etwas bemerkten, machte ich mich zurück auf den Weg zu Liams Haus. Dort setzte ich mich erstmal in den Garten. Er hatte einen wunderschönen Garten. Hier konnte man gut allein sein, seine Gefühle sammeln und sein Selbstbewusstsein stärken. Als die anderen wieder zurück waren und ich wieder reinging, beschlossen wir Trinkspiele zu spielen. Ich wusste nicht, ob es eine gute Idee war, aber das brachte mich das vorerst auf andere Gedanken. Das brachte mich auf ein Zitat von einer meiner Lieblingsserien:
„Eine äußere Wunde reibt man mit Alkohol ein, eine innere Wunde schüttet man mit Alkohol zu.“ (~New Girl)
Ich trank diese Nacht, um zu vergessen. Nur passieren bei Alkohol zwei Dinge: entweder du wirst emotional, oder du bleibst kalt. Bei mir war ersteres der Fall. Deshalb ging ich kurz raus, vor die Tür, mit dem Grund, dass ich frische Luft benötige. „Gefühle sammeln, Selbstbewusstsein stärken und rein da“, dachte ich mir.
Liam setzte sich zu mir und fragte mich liebevoll, ob wir uns nicht reinsetzen können. Rein, auf seine warme Treppe, auf welcher wir letztendlich über alles redeten. „Ich möchte nicht, dass du mit einer Erkältung ins neue Jahr startest“, war sein Argument. Er selbst hatte alles miterlebt. Er konnte sich denken, was los ist. Doch er wusste vielleicht nur 5%, da ich ihm die anderen 95% nicht verraten wollte. Aus gutem Grund, denn, wenn ich es ihm sagen würde, würde er es direkt Sina sagen. Und somit auch kein Wort mehr mit mir wechseln. Wir redeten, ohne Punkt und Komma. Liam regte sich über seine Freundin auf, was nichts Neues war und ich hörte ihm zu, versuchte neutral zu bleiben und als Optimistin etwas positives darin zu sehen und ihn aufzuheitern. Diese Treppe weihten wir in dieser Nacht, als unsere „Problemtreppe“ ein. „Und immer, wenn uns irgendetwas auf dem Herzen liegt, oder wir uns auskotzen müssen, setzen wir uns auf diese Treppe“, sagte Liam. „Ja, unsere Problemtreppe!“, lachte ich zurück. „Lass uns wieder reingehen, sonst machen sich die zwei drinnen noch Sorgen um uns!“
Ich nahm Liam bei der Hand und führte ihn ins Wohnzimmer. Kurz bevor wir die Tür öffneten, lies ich seine Hand los und sah ihn an. Seine Augen funkelten, doch als er den Blick seiner eifersüchtigen Freundin sah, spiegelte sich nichts als eine endlose Leere in seinen Augen wider.
Er sah mich an, zuckte mit den Schultern, während ich mich ans andere Ende der Couch setzte. Liam setzte sich zu seiner Freundin, um sich an sie ran zu kuscheln. Doch sie stand eiskalt auf, sah ihn nicht ein einziges Mal an und setzte sich woanders hin. Liam’s Kumpel und ich sahen uns an, kurz darauf ihn und zuckten mit den Schultern. Er legte sich zu ihr, und fragte sie was los sei. In dem Moment stand sie einfach auf mit den Worten: „Ich gehe jetzt schlafen.“ Uns allen blieb der Mund offenstehen. „Was für eine Szene“, platzte es Liam’s Kumpel raus, als sie weg war. „Lauf doch kurz zu ihr und frag sie, was mit ihr los ist, bevor ihr beide nicht schlafen könnt“, flüsterte ich. Liam sah mich an, nickte traurig und war kurz weg. In der kurzen Zeit herrschte Stille im Wohnzimmer. Kurz darauf kam er zurück, regte sich kurz über sie auf und setzte sich neben mich auf die Couch. Zwischen uns war gerade mal ein Millimeter Abstand, vielleicht sogar weniger. Er machte es mir echt schwer.
Als ich seinen Freund anschaute, lächelte er mich an und nickte mir zu. In dem Moment kuschelte sich Liam an mich und schlief mit einem Lächeln im Gesicht ein. Für einen kleinen Augenblick fühlte ich mich frei und voller Glücksgefühle. Ich fühlte mich wie in einer Traumwelt. Doch dann kehrte ich in die Realität zurück: Liam hat eine Freundin, die im gleichen Haus zwei Stockwerke über uns schläft. Und er kuschelt hier mit mir auf seiner Couch, wie als ob ich seine Freundin wäre. Würde ich neben ihm einschlafen, würde es am nächsten Tag nur unnötigen Streit geben. Das möchte ich jedoch nicht. Also ging ich mit zu seinem Kumpel. Eigentlich wollte ich nach Hause, doch es war fünf Uhr morgens und ich hatte keine Schlüssel dabei. Meine Eltern hätten mich getötet, hätte ich um die Uhrzeit bei ihnen geklingelt. Aus diesem Grund, ging ich mit zu einer Person, die ich kaum kannte, um auch keinen Streit zwischen Liam und Sina zu verursachen. In dem Moment wusste ich aber nicht, dass das der größte Fehler meines Lebens sein würde. Liams Kumpel redete und redete und redete unglaublich viel. Er vertraute mir blind. Andauernd machte er Anspielungen, dass wenn ich Lust auf Sex hätte, es ihm einfach sagen sollte. „Ich weiß, dass du genauso sehr Lust gerade auf mich hast, wie ich auf dich“, flüsterte er mir einmal ins Ohr. Ich versuchte seine Anspielungen so gut es ging zu ignorieren. Eines musste man ihm jedoch lassen! Sein Bett war unglaublich gemütlich. Andererseits wäre ich viel lieber bei Liam. Irgendwann, als mir seine Anspielungen zu viel wurden und er versuchte mir näher zu kommen, schaute ich auf die Uhr. Es war Zeit zu gehen. Ab jetzt konnte ich zu Hause alle wecken. Aus diesem Grund verabschiedete ich mich, höflich, und ging. Ich war glücklich endlich von ihm weg zu sein. Es war einfach nur widerlich, unangenehm und… mir fehlen dafür die Worte, um auszudrücken, wie ich mich fühlte.
Ich nahm mir vor Liam vorerst nichts davon zu erzählen, da ich im Gefühl hatte, er würde mir sowieso nicht glauben und wenn doch, wäre es ihm wahrscheinlich sowieso egal.
Inzwischen waren wir schon im neuen Jahr. „Happy New Year“, würde ich jetzt sagen!
“You have this one life. How do you wanna spend it? Apologizing? Regretting?
Questioning? Hating yourself? Dieting? Running after people who don’t see you?
Be brave. Believe in yourself. Do what feels good. Take risks. You have this one life.
Make yourself proud.” ~Skye
Liam und ich verstanden uns mittlerweile unglaublich gut. Die ersten paar Wochen im neuen Jahr gingen wir zusammen öfter aus, feiern, als auch Bowlen. Wir gingen auch öfters ins Kino. Es war ein wunderbarer Jahresanfang.
Auch die Basketballsaison ging weiter. Drei Mal die Woche Training und zwei Mal die Woche Basketballspiele. Liam’s Kumpel, der Basketballtrainer war, sah ich so ziemlich jeden Tag, doch ich redete kaum mit ihm. Meist reichte es nicht einmal für ein „Hallo“, sondern nur für ein Lächeln, welches auch erzwungen war. Ich war mitten in der Klausurenphase, doch versuchte alles locker zu sehen.
„Man lebt nur einmal. Und dieses eine Mal sollte man in vollen Zügen genießen“, dachte ich mir immer wieder.
Sina und Liam hatten mal wieder Streit. Sina erzählte jedem auf der Schule, sie würde es mit ihm beenden, da sie ihn nicht mehr liebte und keine Zukunft mit ihm sehen konnte. Außerdem möchte sie ins Ausland und das würde sie mit Liam leider nicht aushalten. Ich war schockiert. Wie konnte man so über den eigenen Freund herziehen? Und das noch vor den anderen? Armer Liam. Innerlich hoffte ich allerdings, dass Sie es beendete, denn dann hätte Liam die Chance glücklich zu sein. Diese toxische Beziehung machte ihn noch kaputt. Doch das war zu viel gehofft. Liam erzählte uns am nächsten Tag wie glücklich doch beide wären. Sina erzählte ihm das komplette Gegenteil von dem, was sie uns erzählte. Mir blieb der Mund offen stehen. Wie kann man nur so hinterhältig sein.
Zwei Tage später traf ich mich mit Liam. Er erzählte mir alles und hörte gar nicht auf zu reden. „Sina hat sich so unglaublich verändert. Sie sieht eine Zukunft für uns beide, da sie der Meinung ist wir seien nun erwachsener. Sie hatte mir versprochen, dass wir es auch mit einer Fernbeziehung schaffen und hat mir erneut gesagt, dass sie mich unglaublich liebt und alles für mich geben würde“, erklärte er mir. „Liebst du sie denn auch?“ „Ja, das tue ich.“ Liam lächelte, doch seine Augen funkelten nicht. Er sagte das mit einer unglaublichen Unsicherheit. „Tust du nur so, oder liebst du sie?“, fragte ich ihn erneut. Er sah mich an. „…Ich liebe sie…“ Liam hatte gezögert. Doch die Worte taten weh. Es gibt nichts Schlimmeres, als etwas für eine Person zu empfinden, welche nichts für dich empfindet. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. „Schach Matt“, flüsterte ich. Sina hatte erneut gewonnen. Würde ich Liam nun alles erzählen, was sie mir und den anderen gesagt hatte, würde er mir nichts glauben und sauer auf mich sein. Ich hielt mich raus, lächelte und wechselte das Thema.
Am gleichen Abend gingen wir noch mit seiner Freundin und ihrer besten Freundin was essen. Sie schienen glücklich zu sein. Doch war das auch wirklich so? Oder war das ganze nur Show? Sina sah mich jedes Mal böse an, als ich etwas sagte und irgendwann war ich still, schaute nur noch auf meinen Teller und aß mein essen. Ich hoffte innerlich, dass die Zeit schneller verfliegt. Aber an solchen Abenden dauerte schon eine sichtbare Minute vom Gefühl her zehn Stunden. Als wir uns verabschiedeten, umarmte sie mich seit langer Zeit zum ersten Mal – was mich schockierte- und flüsterte mir ins Ohr: „Er wird dir sowieso nicht glauben.“
Kurz darauf lächelte sie mich an, schaute Liam an und meinte: „Schatz, komm wir gehen, ihre Bahn kommt sowieso bald.“ Liam sah auf die Anzeige, auf der 9 Minuten stand, sah kurz darauf mich an und dann sie. „Geh ruhig“; versicherte ich ihm. „Ich komme schon klar.“ Meine Bahn hatte eine Stunde Verspätung, also ging ich zu Fuß nach Hause, aber so einen Umweg, dass ich nicht an Sinas Haus vorbeilaufen musste. Ich hatte nur noch folgende Fragen im Kopf: „Wie kann man nur so falsch zu seinem festen Freund sein? Liebt sie ihn wirklich? Oder hatte sie sich nur an ihn gewöhnt?“
An diesem Abend merkte ich erneut, dass ich auf mich alleine gestellt bin. Ich konnte keinem vertrauen, als auch mich keinem öffnen. Die Person, der ich alles anvertraute war in einem Spiel involviert, bei dem ich sie nicht rausholen konnte. Sie musste da selbst durch und diese Scheinwelt durchschauen merken, dass es nicht die Realität ist. Denn die Realität ist grausam. Ich wollte ihm so viel erzählen, doch es ging nicht. Aus der Steinmauer, wurde eine Mauer aus Stahl.
Ein paar Tage später schrieb ich ihn an, doch Liam ignorierte mich. Ich versuchte es ein paar Tage später noch einmal, doch es kam nie eine Antwort. Er hatte bald Geburtstag und ich hatte das perfekte Geschenk für ihn. Ich verstand nicht, wieso er mich ignorierte. Hatte ich ihm etwas getan? Hab ich mich falsch verhalten? Ich habe mich doch aus allem rausgehalten und auch das war falsch? Nun ja, ich wollte so unbedingt, dass er mein Geschenk bekommt. Er hasste es über seine Gefühle zu reden und war genauso verschlossen wie ich. Also schenkte ich ihm eine Box mit Briefen. Es waren insgesamt 13 Briefe für verschiedene Situationen. Zum Beispiel: Öffnen, wenn… du traurig bist. Öffnen wenn… du Langeweile hast. Öffnen wenn… du nicht mehr weiter weißt. Und so weiter. Sine bekam von irgendwem mit, was ich ihm schenken möchte. „Tolle Freund habe ich“, dachte ich mir. Sie meinte zu mir, dass man meinen könnte ich sei Liams Freundin und ein paar Tage später kam sie mit der gleichen Idee und erzählte diese laut im Schulflur und Liams Freunden. Sein Kumpel redete es ihr aber aus, weil er das relativ scheiße von ihr fand und wenn es zu dem Geschenk kommt, er fest entschlossen die Wahrheit erzählen wird. Also überlegte sie sich etwas Anderes. Sie steckte übrigens dahinter, dass er mich ignorierte. Das bekam ich aber erst ein paar Wochen später mit. Gerüchte sind doch was wundervolles, oder?
„I don’t like depending on people because people leave all the time.
Because at the end of the day all you have is yourself
and that has to be enough.” ~Skye
Nichtsdestotrotz bekam er sein Geschenk. Ich wollte es nicht bei mir zu Hause behalten. Es erinnerte mich zu sehr an ihn. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn vergessen wollte, deshalb hoffte ich innerlich er würde sich bei mir melden und sich freuen. Vielleicht mit seiner Freundin Schluss machen und mit mir zusammenkommen? Genug geträumt! Es war alles viel zu unrealistisch. Sein Freund holte sein Geschenk bei mir ab, da ich mit meinem Sportkurs auf dem Weg in den Schwarzwald war, zum Skifahren.
Ein typischer Sport-Winterausflug. Letztendlich endete es in einem „Alkohol“-Ausflug und unser Sportleistungskurs, wurde in „Saufleistungskurs“ umbenannt, aber immerhin war es sehr witzig und jeder bekam seine fünfzehn Punkte. Na ja, zum Thema zurück. Ich konnte Liam an seinem Geburtstag nicht sehen, ich wusste nicht einmal ob ich das wollte, doch dieser Ausflug nahm mir die Entscheidung ab, was ich echt super fand! Und eine Antwort zu meinem Geschenk? Na ja, die bekam ich nicht. Kein Dankeschön, nichts. Das dachte ich mir aber irgendwie schon. Ich konnte ihm immer noch keine Schuld dafür geben. Klar verletzte es mich, allerdings hatte er seine RosaRoteBrille auf, die keiner ihm abnehmen konnte.
In der zwischen Zeit passierte sehr viel. Zum Beispiel war Sarah in der Zeitung und im Fernsehen, auf Grund perverser Details. Ich musste lachen, denn sie war zwar eine… ich sag mal, „Person für sich“, doch niemals hätte ich sie so eingeschätzt. Es wäre die letzte Person, von der ich so etwas gedacht hätte. Sie überraschte mich immer wieder und Federico bestimmt auch. Seitdem das passiert ist, frage ich mich immer wieder und wieder, wie tief doch Menschen sinken können und wieso man so tief sinken muss um nach Aufmerksamkeit zu betteln. Es war einfach wie bei Assi-TV. Aufmerksamkeit und Mitleid? Das bekam sie von mir nicht, denn ich dachte mir nach dem ich das gesehen hatte: „Wieso sollte ich meine Zeit weiterhin damit verschwenden, wenn ich mich auf etwas Besseres konzentrieren konnte?“
Ich saß auf meinem Bett in der Herberge. Wir hatten Hochbetten und meins war natürlich oben. Ich sah mir Bilder und Videos an vom Sportausflug. Doch ein Bild von Liam und mir schummelte sich dazwischen. Wir erstarrt schaute ich auf mein Handy. Erinnerungen schossen mir durch den Kopf und… An einem Abend brach ich auf dem Sportausflug zusammen. Ich verstand nicht, wieso Liam nicht mehr mit mir redete, mich ignorierte. Jedoch behielt ich das für mich. Wahrscheinlich war mir das einfach zu viel. Ich verkroch mich unter meine Bettdecke. Tränen flossen mir über die Wange. Bis irgendwann eine Freundin von mir kam und etwas unglaublich Süßes zu mir sagte. Etwas, das mich wiederaufbaute:
„Es heißt, dass man so lange den gleichen Fehler begeht, bis man daraus lernt und es anders macht. Wenn man es aber immer wieder versucht und es bei jedem Versuch anders macht und es dann immer noch nicht klappt, liegt es nicht an dir, sondern an der anderen Person. Damit fügt sie dir leider so lange Leiden zu, bis sie aus ihren Fehlern lernt, es versteht und es anders macht. Manchmal ist die Welt einfach nicht fair.“
Ich weiß nicht, wie ich ohne sie den Abend hätte überstehen können. Sie hatte immer die richtigen Worte parat. Und wenn man nicht reden wollte, dann lag man eben gemeinsam da, starrte die Wand an und schwieg sich an. In dem Moment war ich ihr so dankbar.
Die Zeit im Schwarzwald war eine der besten Zeiten meines Lebens. Aus einem Sportkurs, aus weniger als zwanzig Personen, der aus mehreren Grüppchen bestand, wurde ein Sportkurs, der als eine große Gruppe zurückkam. Wir trainierten an diesen Tagen nicht nur unsere Ausdauer für die Wintersportarten, sondern auch unsere Leber durch den Alkohol. Der Alkohol verband uns damals am meisten und aus fremden Menschen, wurden Freunde, die füreinander da sind. Verrückt bei Sportlern, oder? Niemals hätten wir alle gedacht, dass das so enden würde, doch es endete so und wir kamen alle überglücklich zurück und freuten uns auf die nächsten Monate und die eineinhalb Jahre bis zum Abitur.
„Zwei Liter Schnaps,
Ein Liter Cola,
Raus auf die Straßen
und rein in das Koma!“ ~Skye
Ein paar Tage vergingen und ich hörte immer noch nichts von Liam. Bis plötzlich…
„Hi, wie geht’s dir?“ Er schrieb mir eine Nachricht.
„Gut und dir?“, log ich ihn an.
„Ja auch, wollte mich nur für dein Geschenk bedanken.“
„Gern geschehen.“
„Ich frage mich nur… wer gibt sich so viel Mühe für eine Person, welche jemanden so sehr verletzt hat?“
„Wie meinst du?“
„Na ja, ich hatte dich andauernd verletzt. Und trotzdem gibt’s du dir so viel Mühe für mich.“ Es war eine verdammt gute Frage. Diese ignorierte ich bewusst.
„Wie war dein Geburtstag?“, fragte ich stattdessen.
Als Antwort bekam ich ein „gut“. Ich hätte ehrlich gesagt auch nichts anderes erwartet. Er entschuldigte sich kurz noch bei mir und danach war der Kontakt auch wieder weg. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, es tat zwar weh, doch ich war abgehärtet. Mein Plan: Auf die Schule konzentrieren und in den folgenden Monaten mein Leben genießen. Ohne Drama, ohne Liam.“ ~M