Ungefähr mehr als die Hälfte aller Menschen weltweit sind ungelenkig. Ständig sitzen, wenig laufen und nur einmal am Wochenende Radfahren hält auch keine Gelenke fit. Dadurch verkürzen sich die Sehnen und werden hart, die Faszien werden unelastisch und die Gelenke versteifen sich. Der Gang wirkt unsportlich und alt. Verschiedene weitere Ursachen (wie beispielsweise die richtige Körperhaltung, die Temperatur oder das Alter) und auch genetische Bedingungen können hierbei mit reinspielen. Grundsätzlich lässt sich aber die Gelenkigkeit von Muskeln, Sehnen und Bändern sehr gut trainieren. Gerade Turner/innen sind hierfür Experten, da sie für ihren Leistungssport sehr dehnbar sein müssen. Turnen erfordert vor allem Disziplin und Durchhaltevermögen. „Man trainiert hierfür auf Leistung und lernt seinen Körper am besten kennen“, sagt Turnerin und Trainerin Henriette Kopf. Welchen Druck Turner/innen ausgesetzt sind hat und wie man sich auch als Nicht-Turner/in am besten dehnen kann, erklärt sie uns in diesem Interview. Viel Spaß beim Lesen!
Wann hast du mit dem Turnen angefangen?
Damals war ich vier Jahre alt und habe mit dem Kleinkinderturnen und einer allgemeinen Sportgruppe angefangen. Mit ungefähr sechs Jahren hatte ich meinen ersten Turn-Wettkampf. Als ich älter wurde, vielleicht mit zehn Jahren kam ich in meine erste Leistungsgruppe. Es gab hierfür einen Aufnahmetest. Dabei musste man zum Beispiel Spagat vormachen, oder eine Kraftübung zeigen. Als ich dann in der Leistungsgruppe aufgenommen wurde, hatten wir zwei Mal die Woche Training und auch nicht mehr die alten Trainer. Auf die Wettkämpfe hinauslaufend wurde alles viel ernster genommen. Meinen ersten Kürwettkampf hatte ich, als ich 14 Jahre alt war. Bei einem Wettkampf gibt es Übungsteile, die vorgeschrieben sind, die Gestaltung der Übung darf sich dabei frei überlegt werden. Jetzt trainiere ich drei Mal die Woche, drei Stunden, und zweimal im Monat haben wir ein Sondertraining, eins in Karlsruhe und eins in Bühl.
Was macht dir daran am meisten Spaß?
Turnen ist sehr individuell. Gerade jetzt, in meinem Alter kann ich mir überlegen was ich können möchte und vor allem: Worauf arbeite ich hin? Klar dauert es manchmal auch Jahre, die man auf eine Sache hinarbeitet, aber es ist schön zu wissen, wenn man es geschafft hat. Im Turnen gibt es unendlich viele Teile. Mich motiviert es, wenn ich sehe wie viele Fortschritte ich gemacht habe und wenn es so läuft wie ich es möchte. Turnen ist zwar keine Teamsportart, aber es ist trotz allem mein „Team“, das weiß, wie ich darauf hingearbeitet habe.
Du bist Trainerin, worauf muss man als Turntrainerin achten?
Mit meinen Mädels trainiere ich dreimal die Woche für zweieinhalb Stunden. Ich arbeite auf Leistung hinaus, aber möchte ihnen nicht den Spaß am Sportnehmen. Sie sollen Freude daran haben, aber gleichzeitig auch wissen, welche Erwartungen ich an Sie habe. Diesen Ausgleich zu finden ist sehr schwer, auch weil die meisten zwischen acht und zehn Jahre alt sind. Es ist eine echte Herausforderung, da ich als Trainerin auch die Aufgabe habe, die kleinen zu disziplinieren. Die Mädels müssen regelmäßig kommen, allerdings sollen sie auch gerne kommen und nicht nur dazu gezwungen werden, dass der Teamgeist erhalten bleibt. Als Trainerin muss ich außerdem darauf achten, dass sich keiner ernsthaft verletzt. Manchmal machen die Kids gerne so, als ob ihnen etwas wehtut, wenn sie genau wissen, dass ihnen die nächste Übung nicht gefällt. Als Trainerin muss ich auseinanderhalten können wer wirklich Schmerzen hat und wer gerade nur so tut als ob.
Hattest du schon einige Verletzungen?
Ja die hatte ich. Ich hatte mir schon an beiden Füßen die Bänder gerissen und sehr oft gedehnt. Meinen Ellenbogen habe ich mir ausgekugelt und ich hatte einen Haarriss. Vor kurzem habe ich meinen Brustkorb durch das turnen geprellt. Manchmal habe ich Knie-, Bein- und Rückenschmerzen. Trotzdem mache ich weiter, weil es der Sport ist, der mir gefällt. Er bringt mich voran und motiviert mich diszipliniert an einer Sache dran zu bleiben. Wenn man immer aufhören würde, sobald man sich einmal ein bisschen verletzt bringt es keinen voran.
Hattest du schon den Punkt, an dem du nicht mehr turnen wolltest, aber trotzdem weiter gemacht hast?
Nein. Als ich angefangen habe zu studieren, hatte ich nicht mehr so viel Zeit und mein Leben ist außerhalb der Halle weiter gegangen. Irgendwie habe ich es vermisst und deshalb bin ich aktuell wieder voll dabei. Es ist komisch nach dem Training von den kleinen aus der Halle rauszugehen, wenn man weiß seine eigene Mannschaft fängt an zu trainieren. Auch als Jugendliche verliert man immer wieder die Lust. Damals hat mich meine Mama immer wieder ins Training geschleift. Aber so Richtig einen Tiefpunkt im Turnen hatte ich noch nie.
Viele Menschen haben ein Problem sich zu dehnen. Wie übt man gelenkiger zu werden?
Man wird nur gelenkiger indem man sich dehnt. Das bedeutet: Man streckt seine Sehnen und Muskeln in den Körperteilen. Beim hinteren Oberschenkel stellt man sich beispielsweise auf die Füße, streckt die Knie durch und berührt mit den Händen den Boden. Wenn man das regelmäßig macht, kommt man irgendwann weiter runter. Beim Spagat ist es das gleiche Prinzip. Aufwärmen ist das Wichtigste! Niemals dehnen ohne Aufwärmen, das endet in einer Zerrung. Ich sage immer: Ab dem Punkt, ab dem es weh tut, gehst du noch einmal zwei bis drei Zentimeter runter. Diesen Punkt muss man überwinden. Die meisten hören ab dem Punkt auf, wenn etwas zieht oder weh tut, aber das ist der Punkt, an dem man weiter vorankommt.
Was sind deine Lieblingsgeräte?
Das ist sehr schwierig. Früher war mein Lieblingsgerät Sprung und Barren. Dann kam eine Zeit, in der ich mich jedes halbe Jahr immer wieder verletzt habe. Inzwischen mag ich den Balken und näher mich auch den anderen Geräten an. Die Teile, die gut laufen sind die Teile, die ich am liebsten mache.
Was empfindest du als Turnerin, als auch als Trainerin?
Nun ja, als Trainerin möchte ich „cool“ sein und meinen Mädels aber auch etwas beibringen. Sie sollen schließlich später mal unsere erste Mannschaft werden. Vor kurzem hat eine Turnerin ihren ersten Flickflack gemacht. Das macht mich als Trainerin echt stolz, gerade wenn es die jüngste und kleinste ist. Ansonsten wiederhole ich viel. Einiges muss jahrelang wiederholt werden, bis die Mädels etwas können. Wenn sie etwas Neues lernen, macht es mich besonders stolz. Aber es ist keine dauerhafte Emotion.
Bei mir selbst ist es das gleiche. Ich fühle mich gut, wenn ich etwas geschafft habe, was ich wochen-, monate- oder jahrelang versucht habe. Ich weiß, dass da viel Disziplin und Arbeit dahintersteckt. Und auch wenn sich mein Trainer freut, das sieht man ihm einfach an und da freue ich mich umso mehr.
Turnst du auch in Wettkämpfen? Wie läuft ein Wettkampf ab?
Ja das tue ich. Es gibt Mannschafts- und Einzelwettkämpfe. Ich erzähle von Mannschaftswettkämpfen. Am Wettkampftag kommt man in die Halle und hat meist noch etwas Zeit. Dabei wird sich aufgewärmt, in dem man sich ordentlich dehnt. Zumeist werden Mannschaften zu Geräten zugeteilt, bei denen sie anfangen. An jedem Gerät turnt man sich ein. Wenn man damit fertig ist, beginnt der Wettkampf. Dabei turnt man das Gerät, anschließend wird in olympischer Reihenfolge gewechselt. Also: Sprung zu Barren, Barren zu Balken, Balken zu Boden und Boden zu Sprung. In dieser Reihenfolg eist auch das einturnen. Danach wird ausgewertet und es gibt eine Siegerehrung.
Hast du spezielle Ziele, die du anstrebst?
Meine Ziele sind immer bestimmte Übungsteile. Am Balken habe ich zwei neue Sprünge, die ich erlernen möchte. Am Boden bin ich an einer Salto-Verbindung dran und an einer Streck-Vorwärts, sowie auch Rückwärtsschraube. Am Barren selbst muss ich erst einmal ein bisschen fit werden, da dort viele meiner Verletzungen passiert sind und ich dem Barren jetzt mit einigem Respekt dagegenstehe. Deshalb ist das Ziel am Barren erst einmal richtig fit werden, bevor ich mir da Übungsteile als Ziel setze.
Mein Ziel als Trainerin ist es ganz klar, meine Mädels in die erste Mannschaft zu bringen in etwa sechs Jahren.
Hast du manchmal Angst vor einer schlimmen Verletzung o.Ä.?
Nein, das habe ich nicht. Klar wenn etwas passiert tut es weh und möglicherweise ärgere ich mich über mich selbst. Aber so richtig Angst habe ich keine. Meine Trainerin bereitet uns so gut wie möglich vor und steht für jegliche Hilfestellung immer bereit. Klar irgendwie steckt überall eine potentielle Verletzung dahinter, aber würde ich nur an Verletzungen denken, würde ich gar nicht mehr zum turnen kommen.
Dein Statement?
Was ich wirklich merke ist, dass man durch das Turnen seinen Körper unglaublich gut kennen lernt. Man kann nicht unbedingt mit einem Ball umgehen, hat aber ein sehr gutes Körpergefühl, weil man weiß wie man mit seinem Körper umzugehen hat. Turnen ist sehr wichtig, weil man dadurch so viel lernen kann, gerade was Disziplin und Durchhaltevermögen angeht. Ich selbst habe nie etwas anderes gemacht, aber im Turnen hat man immer etwas, worauf man hinarbeitet. Es gibt immer neue Elemente. Ich kann mir nicht vorstellen, was es da Vergleichbares an anderen Sportarten (zum Beispiel bei Ballsportarten) gibt.
Turner/innen sind einem sehr großen Druck ausgesetzt im Leistungssport. Man muss hierbei mit Leidenschaft dabei sein und sehr viel Disziplin und Durchhaltevermögen haben. Hat dich schon mal Turnen interessiert? Turnst du privat oder hast du schonmal geturnt? Wie geht es dir damit?
Vielen Dank fürs Lesen! Lasst mir gerne Feedback da! Falls ihr irgendwelche Eigenschaften, Hobbys oder weitere Themen habt, die ihr interessant findet, oder jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, … ihr kennt das Spielchen, meldet euch gerne bei mir! 😊~M